Junge Aktion feierte 70 Jahre!
"Thermostate der deutsch-tschechischen Nachbarschaft"
Auf sieben Jahrzehnte kann die Junge Aktion (JA), der Jugendverband der Ackermann-Gemeinde, heuer zurückblicken. Natürlich sollte dieses Jubiläum auch würdig und festlich begangen werden. Doch die am 9. April im Schloss Wörth a.d. Donau geplante Feier musste coronabedingt ebenso abgesagt werden wie die Festivität am 31. Oktober 2020 im Kloster Rohr. Es blieb eine Feierstunde im Internet, an der via Zoom ca. 70 Personen aus Deutschland, Tschechien, Österreich und sogar Frankreich teilnahmen - derzeit aktive und ehemalige Mitglieder sowie Prominente, die Grußworte sprachen bzw. eine Festrede hielten. Deutlich wurde, dass die Arbeit der Jungen Aktion auch heute und in der Zukunft nötig ist.
Über die tolle Resonanz freute sich in seiner Begrüßung JA-Bundessprecher Matthias Melcher. Er startete mit dem Video, das anlässlich der Verleihung des Bürgerpreises des Bayerischen Landtags 2018 an die Junge Aktion über deren Arbeit und Wirken gedreht wurde. Ein "Europa der Menschen" sei, so hierzu die JA-Bundessprecherin Johanna Lüffe, zusammengefasst das Ziel der JA-Arbeit.
Die Bedeutung von Brücken stellte Matthias Altmann, der Geistliche Beirat der Jungen Aktion, ins Zentrum seines geistlichen Impulses. Wie Brücken als Bauwerke Täler, Gräben oder Flüsse überwinden und Menschen darauf angewiesen sind, können "Brücken der Begegnung und Hoffnung" zur Überwindung von Gegensätzen und Krisen, Verständigung, Orientierung und letztlich zum Vertrauen beitragen. "Die Junge Aktion ist zu einer grenzüberschreitenden Brücke geworden", fasste Altmann zusammen und bat, diesen Mut zum Brückenbauen fortzusetzen. Mit einem gemeinsamen Vater unser in der jeweiligen Nationalsprache endete dieser Impuls.
Den Reigen der drei Grußwortredner eröffnete die tschechische Generalkonsulin Kristina Larischová. Sie dankte der Jungen Aktion "für die unermüdliche Arbeit für die deutsch-tschechische Nachbarschaft und Verständigung" durch die Begegnung von Jugendlichen. Für sie ist dies "ein ganz wichtiger Punkt in der europäischen Arbeit", und das gelte es, auf ein breites Fundament zu stellen. "Ich kenne und schätze die Arbeit der Jungen Aktion", stellte sie fest. "Zum 70-jährigen Jubiläum alles alles Gute und viele erfolgreiche weitere Jahre sowie viel Mut für die Arbeit", endete Larischovás eingespieltes Grußwort.
Live aus Prag dabei war Martin Kastler, der Bundesvorsitzende der Ackermann-Gemeinde. "Was wären wir ohne Euch Junge. Die Ackermann-Gemeinde ist ohne die Junge Aktion unvorstellbar", machte Kastler gleich zu Beginn deutlich. Und er betonte, dass nicht jeder Jugendverband sieben Jahrzehnte schafft, weshalb er den in früheren Jahren engagierten JA-Mitgliedern dankte, von denen nicht wenige unter den Zuhörern waren. Als zentralen Grund für die sieben Jahrzehnte sah der Bundesvorsitzende das Profil der Jungen Aktion. "Nur wer ein Profil hat, hinterlässt auch einen Fußabdruck", meinte Kastler und bezog dies auch auf prägende Personen in den diversen Epochen. Im Fokus sei stets ein "lebendiges Miteinander" gestanden - unter den JA-Leuten und mit dem Erwachsenenverband, wie die jüngsten Veranstaltungen (Katholikentag in Münster, Begegnungstage in Landshut) gezeigt haben. Kastler vergaß auch das leider erfolglose Bemühen der Jungen Aktion bezüglich der Jugendherberge in Haidmühle nicht, wo viele Jahre in Grenznähe zu Tschechien die Plasto Fantasto-Veranstaltungen für jüngere Jugendliche stattfanden und gewissermaßen eine Basis für die JA-Arbeit bildeten. Wichtig für das Wirken der JA sei ferner, auf den vorhandenen Wurzeln aufzubauen. "Viele wissen: es gibt einen Jugendverband, der das Deutsch-Tschechische lebt. Ihr seid wie Thermostate der deutsch-tschechischen Nachbarschaft: ihr wisst, bei welchem Wetter mit welchen Maßnahmen und Methoden ihr die Nachbarschaft gestalten könnt. Nicht abkühlen und nicht überhitzen. Alles Gute für die kommenden 70 Jahre", schloss Kastler sein Grußwort, verbunden mit der Hoffnung, bald wieder richtig miteinander feiern und sich begegnen zu können.
Vom Schloss Wörth a.d. Donau, wo im Jahr 1950 erstmals die Junge Aktion als Gruppe aktiv war, richtete in ihrer Videobotschaft die Landtagsabgeordnete Sylvia Stierstorfer, zugleich Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene, das Wort an den Jubelverband. "Ich bin tief beeindruckt davon, was Sie leisten - ehrenamtlich für eine gute Verständigung mit Tschechien", würdigte Stierstorfer die Junge Aktion und verwies auf den Partner-Jugendverband in der Tschechischen Republik. "Wir sind alle Europäer. Ich danke Ihnen für das, was Sie in den letzten 70 Jahren für den Verständigungsprozess geleistet haben und dass Sie den Kontakt zu Tschechien aufrechterhalten. Für die Zukunft wünsche ich Tatkraft, Mut, alles Gute und Gottes Segen", schloss die Landtagsabgeordnete ihr Grußwort.
Aus dem Kloster Rohr, lange Zeit Ort der österlichen Kultur- und Einkehrtage der Jungen Aktion, übermittelten Prior Frater Franz Neuhausen OSB und Abt em. Gregor Zippel OSB Grüße. Frater Franz' Erinnerungen an die JA gehen bis 1982 zurück, "Verbindungen bestehen bis zum heutigen Tag, vielfach auch privat, über das Rohrer Forum". Altabt Gregor betonte, dass er einen Großteil der JA-Aktiven über die Jahrzehnte begleitet habe, und wünschte für die Zukunft "Mut, Entschlossenheit und Gottes Segen für all euer Tun".
In Rohr hat auch der frühere tschechische Schulminister Ondřej Liška, der aus Wien eingeloggt war, die Junge Aktion kennengelernt. Diese habe einen großen Platz in seinem Herzen, bekannte er und erinnerte an die Begegnungen in Chudenice, die sein Leben verändert hätten. Er schilderte die Rahmenbedingungen für das vor 27 Jahren erfolgte erste Treffen mit Vertretern der Jungen Aktion in Pilsen/Plzeň, obwohl ihm weder die Ackermann-Gemeinde noch die Junge Aktion zuvor bekannt waren. "Ich habe leuchtende Leute getroffen und viel Gemeinsames entdeckt - auch zu meiner Heimatstadt Brünn", führte Liška aus. Damit meinte er das Verschweigen der Ereignisse am Ende des Zweiten Weltkriegs - den Brünner Todesmarsch bzw. die Vertreibung der Deutschen - durch die Stadt. "Das hatte nichts mit Gerechtigkeit und Recht zu tun", beurteilte der Grünen-Politiker. Bei der Begegnung mit den Leuten der JA sei er auf Gleichgesinnte gestoßen, die sich ebenso für Verständigung engagierten. Liška erklärte auch, dass sein sieben Jahre späterer Aufruf an die Stadt Brünn/Brno, sich zum Todesmarsch zu bekennen, zunächst zwar "zum Teil wilde und aggressive Reaktionen" hervorgerufen habe, doch später - mit dem 70-jährigen Gedenken - von der Stadt Brünn quasi als Deklaration der Versöhnung übernommen worden sei. "Es dauert manchmal ganz lange bis zur Versöhnung, bis die Begegnung Früchte bringt", fasste der ehemalige Minister zusammen und riet daher zur Geduld. "Ich bewundere die Junge Aktion auch dafür, dass sie sich schon mehrfach neu erfunden hat. Sie hat etwas Universelles, ein Narrativ aufgebaut, das sie sich immer wieder vergegenwärtigt: auch heute braucht es Verständigung. Die Ackermann-Gemeinde und die Junge Aktion sind wahre Zeugen dieser Werte. Mit dieser unglaublichen Kraft hat die JA das Leben vieler Menschen verändert", lobte zusammenfassend Ondřej Liška.
Im nächsten Teil der Online-Feier ging es um die Historie der JA. Vor Schloss Wörth hatten sich in einem Video-Einspieler die Bundessprecher Melcher und Lüffe mit dem JA-Banner postiert. Sie erinnerten an die erste eigenständige Zusammenkunft der JA als Gruppe im Jahr 1950 eben an diesem Ort, wo auch das Jubiläum geplant war. Hier fand 2017 auch die Verleihung des Europäischen Bürgerpreises an die Junge Aktion statt.
Die Festrede mit geschichtlichen Bezügen oblag Prof. Dr. Barbara Krause, die nicht nur in führenden JA-Positionen, sondern auch Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BdkJ) war. Als wesentliche DNA der Ackermann-Gemeinde nannte sie das immer neue Hinschauen darauf, "was in der Kirche und in der Welt los ist". Dies gelte auch - mit verschiedenen zeitlichen Hintergründen - für die Junge Aktion. In den 1950er Jahren waren die Neuorientierung, Anerkennung von Schulabschlüssen, Arbeitsplatzfindung, der Heimatverlust und die Situation der Familien privat die wesentlichen Aspekte. Bei Treffen mit Gleichgesinnten konnten diese Dinge besprochen werden. Politisch begann der Kalte Krieg mit den Aufständen in der DDR und in Ungarn sowie der Kirchenverfolgung in der ČSSR. "Das prägte die Beschäftigung mit dem Kommunismus. Menschenrechte, Religionsfreiheit und Recht auf Heimat wurden die Themen der JA, wobei der Blick auf die Völker Mitteleuropas wichtig war", schilderte Krause. In den 1960er Jahren weitete sich der Blick: ehemalige Kolonien wurden zu selbständigen Staaten, Entwicklungsarbeit, diverse Enzykliken. Aber auch die Menschenrechte etwa in Griechenland wurden thematisiert. Regionale Identität überwog nun bei der JA. Angesichts eines schwindenden allgemeinen Interesses an Mittel- und Osteuropa nahm sich die Junge Aktion dieses Themas an. "Mitte der 60er Jahre fuhren wir als Touristen in die Tschechoslowakei und haben uns heimlich mit Leuten getroffen. 1968 nahm eine Gruppe junger Tschechen an der Bundeswoche teil, nach dem Prager Frühling waren noch ein Jahr Gruppenkontakte möglich, dann aber zerschnitt der Eiserne Vorhang für zwei Jahrzehnte die Begegnungen", führte Krause aus. Die 1970er Jahre waren von der neuen Ostpolitik und der Würzburger Synode (neue Wege der religiösen Bildung und bei der Gottesdienstgestaltung) geprägt. Die Junge Aktion verstand sich als Anwalt, um auf die Situation in der ČSSR sowie in Mittel- und Osteuropa aufmerksam zu machen. Friedensdemonstrationen und hohe Zahlen von Spätaussiedlern gab es in den 1980er Jahren, ehe im Herbst 1989 der Kommunismus zusammenbrach. Die Junge Aktion bot in den 80er Jahren verstärkt Reisen und engagierte sich bei der Bearbeitung historischer Ereignisse. "Im Sommer 1989 gab es erstmals wieder Begegnungen mit tschechischen Partnern", blickte die Festrednerin zurück. Diese intensivierten sich ab Beginn der 1990er Jahre, es wurden "ganz normale Jugendbegegnungen", die dann mit dem Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union neue Rahmenbedingungen (Freiwilligen-Arbeit, Studium usw.) erhielten. Doch Krause verschloss die Augen nicht vor aktuellen Entwicklungen. "Die Menschenrechte geraten unter die Räder des Machterhalts oder der Gewinnmaximierung. Die Gefährdung des Friedens nimmt wieder zu. Auch heute haben wir keine einfachen Zeiten, auch heute müssen wir neu hinschauen", womit die Professorin bei ihrem Ausgangszitat von 1950 war. Die JA möge, so Krause, weiter eine offene und fröhliche Gemeinschaft junger Leute bleiben, Verantwortung übernehmen, die Spuren der Botschaft Jesu suchen und deuten und die Aufgaben auf Gottes Ackerfeld anpacken.
Das Abschlussgebet oblag Prior Frater Dr. Vinzenz Proß OSB vom Benediktinerkloster Niederaltaich, wo die JA seit einigen Jahren ihre Kar- und Ostertagung abhält. Er dankte "für 70 Jahre Versöhnungsarbeit, für Frieden und Verständigung in der Mitte Europas".
Mit per Video eingespielten Musikstücken, d.h. mit Werken von Georg Philipp Telemann und Georg Friedrich Händel, umrahmte das Streichquartett des Rohrer Sommers die Feier. Sach- und Personenkenntnis war danach beim JA-Quiz gefragt, bei dem manche Ereignisse und Episoden aus den sieben Jahrzehnten wieder ans Tageslicht kamen.
Markus Bauer