Projekt Versöhnung 2016

01.12.2016

Dank dem Versöhnungsprojekt kehrten 2016 viele Vertriebene an ihren Geburtsort zurück

Am Wochenende des 5. und 6. November 2016 fand in der St. Antonius-Kirche in Prag 7 ein Versöhnungskonzert statt, an dem fast neunzig Überlebende der Nachkriegsvertreibung und ihre Familienangehörigen teilnahmen - einige von ihnen kamen sogar direkt aus Prag 7. Das Konzert wurde von mehreren Jugendlichen zusammen mit der Sdružení Ackermann-Gemeinde und Antikomplex im Rahmen des Projekts Versöhnung 2016 organisiert, dass auch eine Diskussion im Kino Bio Oko und die Ausstellung "Unter einem Dach" beinhaltete. Die Ausstellung stellt sieben deutsche und sieben tschechische Familien vor, die durch ein Haus verbunden sind - die einen lebte dort vor dem Krieg, die anderen leben heute dort. Bis Ende November war die Ausstellung in der Technischen Nationalbibliothek in Prag zu sehen, nun wandert sie nach Kytlice und wird im Laufe des nächsten Jahres auch in Slavonice, Chomutov, Ústí nad Labem und anderen tschechischen Städten zu sehen sein. Einige der Geschichten aus der Ausstellung wurden auch in der Sendung "Geschichten des 20. Jahrhunderts" im tschechischen Radio Plus vorgestellt, das ein Medienpartner des Projekts war.

Die Reaktionen der Zeitzeugen waren durchweg positiv. "Ich bin mit meinem Enkel nach Prag gekommen und wir waren von der gesamten Veranstaltung begeistert. Es war ein wunderschönes Treffen, insbesondere das Konzert der Versöhnung mit hervorragenden Reden des Bürgermeisters von Prag 7, Jan Čižinský, und des Kulturministers Daniel Herman. Besonders berührt hat mich aber die Komposition "Die große Wanderung" der jungen Komponistin Eliška Cílková", sagte einer der Überlebenden in der Ausstellung "Unter einem Dach", der fast neunzigjährige Erich Kraus aus Dresden.

Die Organisatoren übernahmen die Kosten für Unterkunft und Verpflegung der Zeitzeugen, und mehr als 100 Spender trugen im Rahmen einer öffentlichen Sammlung die Kosten mit. "Ich freue mich, dass wir mit dieser Sammlung den Vertriebenen zeigen konnten, dass es in der Tschechischen Republik bereits viele Menschen gibt, die sich für dieses Kapitel unserer Geschichte interessieren und denen die Beziehungen zu unseren ehemaligen Landsleuten nicht gleichgültig sind", sagt Vlaďka Vojtíšková, eine der Initiatorinnen des Projekts.

In seiner Rede vor der vollbesetzten St. Anthony's Church sagte Minister Herman: "In diesem Jahr jährt sich zum 70. Mal das Ende der Massenvertreibung der Sudetendeutschen aus dem Gebiet der ehemaligen Tschechoslowakei. Diese schrecklichen Taten beruhten auf der Fiktion einer auf der ethnischen Zugehörigkeit beruhenden Kollektivschuld. Nur so konnten Hunderttausende von Menschen ihrer Bürger- und Menschenrechte, ihres Eigentums, ihrer Ehre und in vielen Fällen auch ihres Lebens beraubt werden. Ich bin jedoch überzeugt, dass wir, solange wir uns um Verständnis bemühen, solange wir Scham empfinden und solange es jemanden gibt, an den wir Worte der Vergebung richten können, immer noch eine Chance haben, die Wunden der Vergangenheit zumindest teilweise zu heilen und auf dem aufzubauen, was die Beziehungen zwischen den Menschen unserer Länder beschädigt hat. Das heißt, das Konzept des Menschen als ein Wesen, das geschaffen wurde, um Beziehungen von gegenseitigem Respekt und Vertrauen zu anderen aufzubauen.

Eine bemerkenswerte Skulptur, die die Versöhnung symbolisiert, schwebte über den Köpfen der Anwesenden: Die Taube der Versöhnung.
Eine große weiße Taube, vielleicht vier Meter hoch, von der jungen Bildhauerin Josefina Jonášová, dominierte den offenen Raum des Schiffes vollständig. Ein Luftzug bewegte die Taube, die eine Reihe von Koffern und Kisten mit sich führte. Wenn wir uns an den Umzug erinnern, denken wir auch an die Koffer, in denen die Exilanten ihr Hab und Gut transportierten. Die Taube, das biblische Symbol für den Frieden des Herrn, zeigt die Richtung an, in der Versöhnung möglich ist. Die verschiedenen offenen Koffer laden uns ein, uns dem Geist zu öffnen, der die Erde erfüllt.
Die weiß leuchtende Skulptur aus leichten Materialien, Papier und Styropor wurde über dem Blickfeld der Anwesenden platziert. Sie war in der Kirche leicht zu übersehen. Die Platzierung ist also ein gutes Beispiel für den Weg zur Versöhnung: Sie geschieht unauffällig. Jeder kommt auf seine eigene Weise dazu. Es schien, als ob dieses ermutigende Objekt vielleicht sogar schon lange in die Antoniuskirche gehörte - auch wegen seiner Verbindung mit den Ereignissen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Josefína Jonášová ist eine hervorragende Schülerin ihres akademischen Lehrers Jaroslav Róna. In ihren Skulpturen und Gemälden stellt er immer wieder Themen vor, die zum Nachdenken anregen. Seine Werke sind keine bloßen Beschreibungen, sie führen den Betrachter immer einen Schritt weiter. Das hat auch Frau Jonášová von ihm gelernt. Bereits für ihre Diplomarbeit im Jahr 2012 erhielt sie den Rektoratspreis der AVU. Damals präsentierte sie eine fünf Meter lange Skulptur Antikoncept, die vor den Folgen der hormonellen Verhütung für junge Frauen warnte. All ihre Werke zeugen von ihrem außergewöhnlichen Talent, ihrer Nachdenklichkeit und ihrer Ehrlichkeit in der Bildhauerei.

Die Kunstinstallation befindet sich nun auch auf Reisen und verweilt zurzeit in der Basilika Unserer Lieben Frau, der Helferin der Christen, in Filippov. Im Laufe des nächsten Jahres wird die Installation auch an vielen anderen Orten zu sehen sein, unter anderem in der Kirche St. Jan Nepomuk in Prag.

Ein Text von Pavel Kuneš